Stellungnahme der Mitglieder der ATTEK zur vorzeitigen Beendigung der Ausschreibung des Bad Wiesseer Nahwärmenetzes

Der vorzeitige Abbruch der Konzessionsvergabe zu der geplanten Biomasse-Heizzentrale am Badepark kommt für den ATTEK völlig überraschend und ist anhand der Faktenlage nicht nachvollziehbar.

Leider ist die Ausschreibung des Nahwärmenetzes mit einer CO2-neutralen Heizzentrale hinter dem Badepark mit 8:6 Stimmen am 14.3.19 aufgehoben worden. Entgegen der langfristig verfolgten Zielsetzung, einen sehr wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen, regenerativen Wärmeversorgung in Bad Wiessee zu leisten, wurde das Projekt gestoppt. Es wurde der Möglichkeit eines Neubaus des Badeparks und möglicher Nutzung der Flächen für einen Neubau mehr Gewicht gegeben. Mit dieser Kehrtwende des Gemeinderats ist der Standort der Heizzentrale, trotz eines Investitionsvorteils, nicht mehr aktuell. Mit dem Aus für den Standort der Heizzentrale ist das gesamte Projekt gefährdet. Ob ein wirtschaftlich wie technisch passender neuer Standort gesucht und gefunden wird, ist völlig offen.

Wir haben die Chance >9 % unseres fossilen CO2-Ausstoßes Bad Wiessees durch regenerative Energie zu ersetzen, das sind ca. 540.000 Liter Heizöl-Äquivalent oder ca. 1.440 Tonnen CO2 pro Jahr.

Diese Entwicklung kann der ATTEK nicht kommentarlos stehen lassen.

Die Gemeinde Bad Wiessee hat zum Erreichen des vereinbarten Klimaschutzzieles bis 2035 als erste Talgemeinde einen Energienutzungsplan (ENP= Leitfaden zur energetischen Entwicklung) in Auftrag gegeben. Ein zentrales Ergebnis dieses ENP war die Empfehlung zur leitungsgebundenen Wärmeversorgung des Kurviertels mittels Wärme aus CO2- neutraler Bioenergie.

In der anschließenden, mit großer Mehrheit des Gemeinderates beschlossenen Machbarkeitsstudie (Auftrag an EST) zur Realisierung dieses wegweisenden Projektes wurde der jetzige Standort am Badepark aus 6 verschiedenen Varianten als der geeignetste ausgewählt. Auch die möglichen Wechselwirkungen mit dem Badepark inkl. dessen Sanierung wurden berücksichtigt.

Vom Landratsamt Miesbach (Umwelt und Naturschutz) wurde dieses Projekt sehr vorteilhaft bewertet. Die Planung wurde nach Sichtung positiv und umsetzbar beschieden.

Im Gegensatz zu einem ursprünglich angedachten Gemeinschaftsunternehmen aus Gemeinde und privaten Partnern, für das bereits Vorarbeiten liefen, wurde anlässlich der Gemeinderatsklausur am 06.02.2018 beschlossen, dass mit Unterstützung der Kanzlei Noerr lediglich eine Konzession ausgeschrieben wird. D.h. der Ausschreibungsgewinner verhandelt anschließend eigenverantwortlich und eigenwirtschaftlich mit potentiellen Anschluss-Nehmern und setzt das Projekt mit eigenen Mitteln um. Es besteht somit keinerlei Risiko bzw. Verpflichtung seitens der Gemeinde mehr, die jedoch in dieser jetzt aufgehobenen Version das Grundstück für die Heizzentrale zur Verfügung stellte.

Die Konzessionsvergabe an einen möglichen, regionalen Partner stand unmittelbar bevor. Aber genau dies wurde im letzten Moment verhindert. Die Diskussion über den Standort der Heizzentrale und das in der Ausschreibung zugesicherte Grundstücks stünde jetzt plötzlich einem Neubau des Badeparks im Wege. Außerdem wurde eine Stellungnahme zur aktuellen Projektplanung von Athos/Strüngmann als Absage gewertet, was der Text aber so nicht aussagt. Die Mehrheit des Gemeinderats ließ sich von dieser Argumentation zum Rückzieher bewegen.

Daher besteht seitens des ATTEK völliges Unverständnis über die vorgebrachten Gründe der Einstellung des Vergabeverfahrens. Es gibt diesbezüglich noch eine Reihe von Argumenten sowie wichtige offene Fragen und Punkte:

1. Die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes ist alleine Sache des Ausschreibungsgewinners. Dieser und nur dieser muss sie mit den möglichen Wärmekunden klären, nicht die Gemeinde. Ferner würde bei einer Realisierung des Projektes ein Teil der bisher angefallenen Kosten, die jetzt die Gemeinde zu tragen, hat von dem Betreiber übernommen. Nur diese Betreiber können in letzter Konsequenz entscheiden, ob sie zu den von den Investoren, Großabnehmern gesetzten Bedingungen Wärme liefern wollen oder nicht. Die Gemeinde Bad Wiessee kann diese Entscheidung nicht einfach vorwegnehmen.

2. Entgegen der tendenziösen Berichterstattung in einer online Zeitung und der wiederholten Meinung der potentiellen Anlieger, wurde der Standort sorgfältig abgewogen und zweimal im Gemeinderat bestätigt.

3. In dem Ausschreibungsverfahren wurde eine regionale Herkunftserklärung des Energieträgers festgeschrieben. Der bisher führende Bieter sicherte dem Vernehmen nach zu, dass 90% der Hackschnitzel aus dem Umkreis von 30 km direkt aus dem Wald angeliefert werden. Die nicht näher begründete Behauptung, dass vielleicht Hackgut aus Rumänien her gekarrt werde und somit die Ökobilanz des Projekts negativ sei, ist schlichtweg falsch und diffamiert den führenden Bieter. In anderen Gemeinden wie Miesbach, Weyarn, Glonn usw. funktionieren solche Nahwärmenetze seit Jahren erfolgreich.

5. Auch die zusätzliche Verkehrsbelastung wird nicht im realen Kontext und in Relation zu einer Vermeidung von 9% des fossilen Energiebedarfs gesetzt, sondern isoliert als Bedrohung inszeniert. Die Anlieferung erfolgt durchschnittlich durch 2 LKWs an 4 Tagen pro Woche

6. Bei der vorgebrachten Beeinträchtigung des Ortsbildes durch eine 20 m hohe Abgasanlage wird vergessen oder vielleicht sogar wissentlich unterschlagen, dass jetzt (und wohl auch zukünftig) ein ähnlich hoher Kamin bereits am Badepark in den Himmel ragt, bisher ohne größere Probleme. Um die Kondensatfahne so weit wie möglich zu reduzieren, wurde auch eine Rauchgaskondensation eingeplant. Diese zusätzlich gewonnene Wärme könnte am Standort Badepark wirtschaftlich eingebracht werden.

7. Von Pontresina über Davos, Zürs, Arlberg oder dem Vintschgau lassen sich gut betuchte Gäste nicht von den dort stolz präsentierten Biomasseheizwerken nebst dazugehöriger Kondensatfahne abschrecken. Ganz im Gegenteil, der zahlungskräftige Gast erwartet einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur als Selbstverständlichkeit in einer Premiumdestination.

8. Braucht denn ein völlig neugebauter Badepark keine Energie mehr? Wäre nicht vielmehr das Vorhandensein einer klimaneutralen und bezahlbaren Wärmequelle auf dem Grundstück des Badeparks ein Standortvorteil bei der Sanierung des Badeparks?

9. Bad Wiessee hat eine entscheidende ökologische Chance vergeben. Mit dem vorzeitigen Abbruch des Vergabeverfahrens des wichtigsten Maßnahmenpaktes im ENP hat man die Aussicht auf eine Umsetzung durch regionale Partner ohne eigene Investitionen an diesem Standort (!) aufgegeben. Das bisherige Verhalten der Gemeinde ist für eine zukünftig Zusammenarbeit mit möglichen Betreibern sicher nicht vorteilhaft.

Solange ein „weiter so“ auf Kosten der Umwelt und unserer Kinder die Politik leitet, solange die Ängste von Nachbarn schwerer wiegen als langfristige und strategische Entscheidungen, müssen unsere Kinder noch lange freitags auf die Straße gehen.

Der Arbeitskreis Tegernseer Tal, Energie und Klimaschutz (ATTEK)

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